Tagung von AUA und ZAVD zur politischen Lage der Christen in der Türkei und im Irak


Am Sonntag, den 29. Mai 2011 fand um 17.00 Uhr eine Tagung über die politische Lage der Assyrer in der Türkei und dem Irak im Saal des Wiesbadener St. Marien-Kettler-Hauses statt. Veranstaltet wurde diese von der Assyrian Universal Alliance Germany Chapter (Raif Toma) und dem Zentralverband der Assyrischen Vereinigungen in Deutschland und Europäischen Sektionen (Sabo Akgül). Als Referentinnen waren die beiden Menschenrechtlerinnen und Journalistinnen Zeynep Tozduman aus Izmir (Türkei) und Marianne Brückl aus München eingeladen, die in ihren Vorträgen dem Publikum die aktuelle Situation der Assyrer in den beiden muslimisch dominierten Ländern präsentierten.
Über 50 Gäste kamen zu dem Abend, der den Anwesenden vieles an Fakten zu bieten hatte. Den Auftakt machte Zeynep Tozduman.
Zu Beginn hielt die Menschenrechtsaktivistin eine Schweigeminute ab, in der die Anwesenden der während des Völkermordes von 1915 ermordeten christlichen Assyrer gedachten. Das Thema Völkermord von 1915 war zentrales Thema ihres Vortrags, insbesondere die bis heute andauernde Leugnung des Genozids durch die Türkei. Dass man dies nicht so stehen lassen könne, zeigte sie durch Lösungen in Form von zwei aktuellen Projekten in Bezug auf die nationale Identität und die Muttersprache der Assyrer. Herr Sabo Akgül, Sprecher des assyrischen Zentralverbandes in Deutschland und europäischen Sektionen, sicherte ihr die Zustimmung und die volle Unterstützung der in Europa lebenden Assyrer für ihre beiden Projekten zu. Zugleich präsentierte die engagierte Schriftstellerin ihr neues Buch mit dem Titel „An der assyrischen Front eine Frau aus Kreta“.
Zeynep Tozduman informierte das Publikum umfassend über die Frage des Klosters Mor Gabriel und zeigte sich bestürzt über das Unrecht das gegenüber dem Kloster wie auch dem christlich-assyrischen Volk geschieht. Bereits zu Beginn der Verfahren um das im Jahr 397 erbaute und damit beinahe älteste syrisch-orthodoxe Kloster der Welt hat Zeynep Tozduman Ende 2008 eine assyrische Plattform in Izmir gegründet, die sie bis heute betreut. Obwohl die Menschenrechtlerin durch ihre Arbeit in ständiger Lebensgefahr schwebt und auch schon mehrere Drohungen erhalten hat, lässt sich die mutige Frau nicht von ihrem Ziel abbringen – den Minderheiten in der Türkei zur Seite zu stehen.Zusammen mit Freunden hat Zeynep Tozduman einen Verein ins Leben gerufen, der sich um die Belange der Assyrer in der Türkei kümmert. Ziel ist nicht nur die demokratische Öffnung der Türkei im Land selbst, sondern sie auch für die Assyrer in der Diaspora zu erreichen.
Ferner sprach die Menschenrechtsaktivistin über weitere Aktivitäten ihrer Gruppe. Für Zeynep Tozduman steht die Frage des Klosters Mor Gabriel nicht nur für dieses christliche Erbe in der Türkei, sondern betrifft alle syrischen Klöster wie auch das ganze assyrische Volk dort. Für sie steht es fest, dass durch die Enteignung des Beweises des Urchristentums weiteres Unrecht folgen wird und eine christenfreie Türkei bewirkt werden soll. Sie machte deutlich, dass sie sich für alle Minderheiten in der Türkei einsetzt und für die Gleichheit aller Menschen steht.Am Schluss ihres Vortrages rief sie zur Rückkehr der Assyrer in die Heimat auf.
Nach einer kurzen Pause widmete sich die Journalistin Marianne Brückl dem Thema Irak. Anhand von Zahlen ermordeter Christen aus den neuesten Menschenrechtsberichten (Hammurabi Menschenrechtsorganisation) und Statistiken (ankawa.com)vom 23. Mai 2011 verdeutlichte sie die brisante Situation der Minderheit im Land. Sie berichtete insbesondere über die vom Assyria Council of Europe (ACE), der Unrepresented Peoples and Nations Organization (UNPO) und Finland Assyria Association (FAA) organisierte Delegationsreise in den irakischen Norden, an der sie vom 27. März bis 03. Juni zusammen mit dem Vorsitzenden der AUA European Chapter, Shlimon Haddad, teilgenommen hatte.
Die Schwerpunkte Ihres Vortrages bildeten sowohl die Notwendigkeit der Durchsetzung einer autonomen Zone für die christliche Bevölkerung als auch der von der irakischen Zentralregierung forcierte demographische Wandel in den hauptsächlich von Christen besiedelten Gebiete. Mit authentischen Zitaten von Priester Louis Khassab vom Christian Affairs Committee in Bagdeda zeigte Marianne Brückl die Gefahr einer weiteren Dezimierung der indigenen Bevölkerung im Irak auf. „Die besten Grundstücke in der Stadt sind geplant, den Führern der schiitischen Gemeinde zu geben. Das geht gezielt auf die Christen, denn das passiert in keinem anderen Gebiet, nur in den christlichen Gebieten… Insgesamt sollen ca. 13.000 Grundstücke verteilt werden.“ hatte Khassab am 28. März 2011 geäußert. Mit einer zweiten, ähnlichen Aussage des Vizepräsidenten vom Concil of Notables in Bagdeda am gleichen Tag unterstrich sie die Bedeutung für die christliche Gemeinschaft im Norden des Irak. „Ein Problem, dem wir unglücklicherweise gegenüberstehen ist, dass die verteilten Grundstücke in den Gebieten liegen, die vom Artikel 140 der Irakischen Verfassung geschützt sind. So sind wir immer von den politischen Differenzen der Parteien in diesem Gebiet mit betroffen. …Im Augenblick müssen wir aufpassen, weil mit der Unterstützung einiger ursprünglicher politischer Kräfte und einiger politischer Parteien des irakischen Staates durch die Anmeldungen ein demographischer Wandel in die christlichen Gebiete gebracht werden soll.“.
Auch das Problem der fehlenden Sicherheit wurde von der Menschenrechtsaktivistin Brückl angesprochen. In welchem Maße dieser Umstand auch mitverantwortlich ist für die hohe Arbeitslosigkeit und die Scheu ausländischer Investoren, im Irak Firmen zu errichten, zeigte sie anhand eines Kreislaufes auf. „[…] wo es keine Sicherheit gibt, wird es auch keine Investoren aus dem Ausland geben. Und wo es keine Investitionen gibt, fehlt es an Infrastruktur und an Arbeit und wo es an Arbeit fehlt, fehlt es an Geld und wo es an Geld fehlt, fehlt es auch an Sicherheit.“ Dabei sprach sie auch die Zurückhaltung von EU-Geldern durch die irakische Zentralregierung an.
In ihrem Schlusswort mahnte die Journalistin, dass es keine Lösung sei, Tausende irakischer Christen nach Deutschland und in andere EU-Staaten zu holen, sondern dass es im Gegenteil es eine Verpflichtung der Regierungen sei, den Bedürfnissen und nationalen Rechten eines indigenen Volkes in der Schaffung einer Selbstverwaltung in den Ursiedlungsgebieten (Ninive-Ebene) als Teil des föderalen Irak Rechnung zu tragen und nicht nachzugeben in den Bemühungen, den selbstverständlichen, in echten Demokratien geltenden Menschenrechten und Gesetzen auch dort mit allen gebotenen Mitteln zu Anerkennung und Einhaltung zu verhelfen.
Die Menschenrechtsaktivistin machte noch darauf aufmerksam, dass man insbesondere die assyrische Jugend im Land als Hoffnungsträger unterstützen müsse, da sie die Zukunft für das Überleben der christlichen Bevölkerung im Irak darstellen.
Beide Referentinnen wurden mit viel Beifall des Publikums und Würdigung ihrer Arbeit für die verfolgten Minderheiten verabschiedet. Dass dieser Aktionismus für die Freiheitsrechte der unterdrückten und bedrohten Menschen in den Nahost-Ländern fortgesetzt werden kann, dafür bedarf es letztendlich noch wesentlich mehr der Unterstützung von Politik, Kirche und Gesellschaft.
Von Marianne Brückl
06.06.2011
Quelle
Bildquelle: qolo.de
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